Horizonte

Buch 1 in der Serie – Horizonte

Der College-Footballspieler Clark Stevens, ein beliebter Wide Receiver mit Aussicht auf einen Vertrag in der NFL, hat eine Menge Probleme. Er hat eine eifersüchtige Freundin, einen engstirnigen und herrschsüchtigen Vater, eine Aufmerksamkeitsstörung, und er verspürt eine unerwartete, starke Anziehung zu dem Notarzt – dem männlichen Notarzt – der ihn wegen eines gebrochenen Arms behandelt.

Dr. Jody Williams empfängt widersprüchliche Signale. Er kann nicht ignorieren, wie sehr er sich zu Clark hingezogen fühlt, denn es ist offensichtlich, dass Clark ebenso empfindet. Für den stolzen, geouteten Arzt ist die Lösung denkbar einfach. Für Clark ist sie das nicht. Seine Welt ist alles andere als schwulenfreundlich und die Hindernisse, denen er sich gegenübersieht, ließen ihn seine Sexualität viele Jahre lang verleugnen.

Es ist der Superbowl der Katastrophen, egal, wie man es dreht und wendet. Am Ende muss Clark entscheiden, ob er an dem Leben festhält, das er kennt, oder ob er es riskiert, ein neues mit Jody zu beginnen.

Cover Artist: Reese Dante

Translator: Jutta Grobleben


Kapitel 1

 

JODY STAND im Schwesternzimmer und füllte seinen täglichen Bericht aus. Die Sirene eines Rettungswagens und der Klang stampfender Füße unterbrachen ihn und kündigten einen Neuankömmling im Alta Bates Trauma Center in Berkeley, Kalifornien an. Ein Sanitäter schob eine Trage in den Eingangsbereich, auf der ein Footballspieler in voller Montur lag, der seinen linken Arm in einem falschen Winkel hielt. Auf seiner linken Wange waren Schmutzflecken und sein dunkelblaues Trikot mit dem goldenen Cal-Logo war mit verkrustetem Matsch und Grasstückchen übersät. Ein weiterer Mann, der einen Helm und einen Stoffsack trug, war bei ihm.

Sie landeten in Kabine Sechs, die zu dem Teil der Notaufnahme gehörte, für den Jody verantwortlich war. Er schielte zur Uhr und stellte fest, dass seine Schicht noch zehn Minuten dauerte. Also zwang er sich, wieder auf Doktormodus umzuschalten, denn den hatte er vor ein paar Minuten abgelegt. Als er über den Flur ging, fuhr er sich mit den Händen durch das Haar, um halbwegs professionell auszusehen. Er war seit fast zwölf Stunden im Dienst und sah wahrscheinlich genauso aus, wie er sich fühlte – müde und schlecht gelaunt.

Er hielt einen Moment inne und lauschte den verärgerten Stimmen. Als er den Vorhang beiseiteschob, stellte er fest, dass der verletzte Footballspieler immer noch seine Ausrüstung trug, abgesehen von dem Trikot, das man offensichtlich aufgeschnitten hatte. Seine Schulterpolster waren noch nicht entfernt worden und wirkten in dieser Umgebung völlig fehl am Platz.

Coach Brenner, nach dem Namen, der auf die Tasche seines Hemdes gestickt war, zu urteilen, hörte auf zu reden, sobald Jody durch den Vorhang in den Raum trat. Was auch immer er gesagt hatte, hatte den blonden Mann aufgeregt, denn über dessen Wangen liefen Tränen. Er wischte sie schnell weg, aber die Flecken auf seinen Wangen ließen Jody sich fragen, was vorgefallen war.

„Ist alles in Ordnung?“

„Ich versuche nur herauszufinden, wie wir hier gelandet sind“, antwortete der Coach. „Das hätte nie passieren dürfen.“

„Also, das Wie und Warum spielt momentan keine Rolle. Sie sind hier und ich habe ab jetzt die Verantwortung.“ Jody sprach in ruhigem Tonfall, aber er ließ keinen Spielraum für Diskussionen. „Sie müssen jetzt nach draußen gehen, damit ich Ihren Spieler untersuchen kann.“

Der Mann protestierte, aber Jody ließ sich nicht beirren, während er zusah, wie er die Kabine verließ.

Der Footballspieler seufzte erleichtert, als der Coach sich widerwillig zurückzog, und wandte seinen Blick dann zu Jody. Seine Wangen waren immer noch sichtbar gerötet, aber die Tränen waren versiegt. Jody ging zu dem Waschbecken auf der anderen Seite der Kabine, füllte einen kleinen Plastikbecher mit Wasser und brachte ihn zu seinem Patienten. „Warum nehmen Sie nicht einen Schluck?“

„Danke“, antwortete der Mann. Er nahm mit zitternder Hand den Becher und leerte ihn dankbar. Der Kerl war definitiv ein angenehmer Anblick. Jodys Puls beschleunigte sich und Hitze durchströmte ihn.

„Ich bin Dr. Williams“, stellte er sich vor und warf den leeren Becher in den Müll.

„Clark Stevens“, antwortete der Blonde, als erwartete er, dass Jody den Namen sofort erkannte.

Jody blickte auf die Karteikarte. „So steht es hier. Freut mich, Sie kennenzulernen.“ Er berührte ihn an seinem gesunden Arm und fuhr fort, „Es sieht so aus, als wären Sie gestürzt.“

„Ja, es war dumm. Ich habe mich ablenken lassen und dann den Halt verloren“, antwortete Clark in normalem Ton. Anscheinend hatte er sich von der Aufregung gerade eben wieder erholt.

Jody begann, den Arm des Spielers zu bewegen, hörte aber sofort auf, als er bemerkte, wie dieser zusammenzuckte. „Tut es weh, wenn ich das mache?“

„Ein wenig.“

„Es könnte gebrochen sein, aber ich brauche eine Röntgenaufnahme, um die Diagnose zu bestätigen. Ich werde Ihnen eine Spritze gegen die Schmerzen geben.“

„Nein!“, lehnte Clark entschieden ab. „Keine Spritzen.“

Jody erkannte, dass der Mann Angst hatte und immer noch aufgeregt war, wenn auch aus einem anderen Grund. Er versuchte einen anderen Ansatz und sagte behutsam, „Es wird sehr unangenehm werden, wenn Sie in die Radiologie kommen. Sie sollten sich das wirklich noch einmal überlegen.“

„Nein, ich nehme nur in Extremsituationen Schmerzmittel.“

„Gebrochene Knochen sind nicht extrem genug?“, fragte Jody und zog die Augenbrauen hoch. Der Footballspieler schüttelte den Kopf, und Jody fragte sich, was wohl der Grund dafür sein mochte.

„Es ist Ihre Entscheidung, Clark. Der Pflegehelfer wird Sie in den zweiten Stock bringen, also müssen Sie sich nur hinlegen und entspannen. Gibt es eine Möglichkeit, diese Schulterpolster zu entfernen, ohne sie zu zerschneiden? Ich weiß rein gar nichts über Football.“

Clark nickte und versuchte, die Halterungen zu lösen, aber das war mit nur einer Hand nicht möglich. Jody bemerkte es und beugte sich vor, um zu helfen. Er kämpfte mit den Verschlüssen. Dabei berührte er Clarks Hand und war überrascht über die Funken, die dabei zwischen ihnen zu sprühen schienen. Clark versuchte erst gar nicht zu helfen und schien Jodys Gefummel mit einem leichten Grinsen im Gesicht zu genießen. Jody erkannte den flirtenden Beiklang, und er hielt inne und sah den Footballspieler in einem ganz neuen Licht.

„Sagen Sie mir, wie ich das öffnen kann?“, fragte er, unfähig, den Blick von Clarks Mund abzuwenden. Es war ein Mund, den man nur als einladend bezeichnen konnte.

„Es ist der silberne Verschluss“, sagte Clark und führte Jodys Hand zur Mitte der Schulterpolster. Durch die Hitze und die Spannung, die zwischen ihnen entstanden war, schien die Kabine regelrecht zu schrumpfen. Jody fand den Clip, öffnete ihn und befreite die Polster aus ihrer engen Halterung. Er entfernte sie vorsichtig, wobei es unmöglich war, die harten Muskeln von Clarks glatten Schultern und Oberarmen nicht zu berühren. Sie hielten beide die Luft an, als Jody die Schulterpolster abgestreift hatte.

„Den Arm nicht bewegen“, warnte Jody. Er beobachtete, wie Clark sich auf die Lippe biss und die Stirn runzelte. „Sind Sie sich sicher, dass Sie nichts gegen die Schmerzen haben möchten?“

„Mir geht´s gut, Doc. Und Ihnen?“, fragte Clark und wühlte Jody mit seinem hinterhältigen Lächeln nur noch mehr auf.

Jody hielt inne und überdachte die Frage. Machte Clark sich über ihn lustig oder wollte er sehen, ob er darauf ansprang? Wer war dieser Kerl? Jody trat einen Schritt zurück und entschloss sich zur Vorsicht, trotz der Anziehung, die so unerwartet aufgeflammt war. „Ich bin hier nicht der Patient, Clark. Das sind Sie.“

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